Rühre mich nicht an
„Rühre mich nicht an!“, so sprach Christus zu Maria Magdalena am Ostermorgen im Garten Getsemane.
Christus verstellte sich, gab sich als Gärtner aus, wollte am liebsten unerkannt bleiben. Zu bloß und schutzlos fühlte er sich noch in seinem körperlichen Wieder-Dasein nach Tod und Auferstehung. Noch zog er eine Grenze zwischen sich und der Welt, obgleich diese ihm in Magdalena, einer vertrauten Gestalt, entgegentrat.
Dieses zutiefst menschliche Verhalten ist auch uns heute nicht fremd: die Kluft zwischen sich und der Außenwelt, Berührungsängste, Rückzug, Einschließen in sich selbst.
Die monumentale Zeichnung von Paul Schinner schildert mit erschütternder Eindringlichkeit beides: Die Berührungsangst Christi nach den schrecklichen Leiden seiner Passion wird zu einer Parabel für die Schutzbedürftigkeit vieler heutiger Menschen in der zunehmenden sozialen Kälte und Ruppigkeit unserer Zeit. Dargestellt ist ein menschlicher Oberkörper, kopflos, denn das Empfinden glaubt man entgegen modernen Wissens nachwievor im Herzen angesiedelt.
Unverkennbar greift ein Arm schräg nach vorne, wie eine schützende Schranke.
Das Innere dieses Körpers ist überwiegend hell gehalten, der Bleistift mit den Fingerkupen weich verwischt, Ausdruck für Sensibilität und Verletzlichkeit. Der Umriss jedoch, die Außenhaut, ist pechschwarz, wie ein Harnisch aus geschmiedetem Metall. „Rühre mich nicht an!!“ (FF)