Pestsäule
Dieses gotische Denkmal steht am Wegesrand. Deutlich zu erkennen ist ein Kreuzigungsbild mit dem Gekreuzigten und Maria und Johannes unter dem Kreuz. Im Giebelfeld darüber sieht man das Regensburger Stadtwappen. Es ist der Stadt zugewandt: Vor dem Jakobstor, am Anfang der Prebrunnallee, steht das gezeigte Steinbild. Es ist die Wegsäule vor dem Jakobstor, früher auch als "Pestsäule" bezeichnet.
Die Kunsthistorikerin Dr. Rosa Micus hat sich in ihren Forschungen sehr intensiv mit dem besonderen Denkmal beschäftigt und Interessantes herausgefunden. Solche Wegsäulen gab es im späten Mittelalter in der Nähe von Stadttoren häufiger. Allein in Regensburg ist in der Nähe des ehemaligen Peterstores mit der sog. "Predigtsäule" ein weiteres Beispiel erhalten. Ihre ursprüngliche Funktion ist schwer zu erklären: Es kann ein Rechtszeichen sein, das den Ort rechtlich bindender Handlungen markiert. Es kann ein Sühnezeichen sein, mit dem nach mittelalterlicher Vorstellung eine Fehlhandlung wiedergutgemacht werden konnte, oder es kann ein Denkmal an ein bestimmtes Ereignis sein. Worum es sich bei der Säule beim Jakobstor handelt, ist nicht belegt.
Aus einer unterhalb der kleineren Figurenreihe umlaufenden Inschrift kennen wir den Stifter und das Datum der Aufstellung der Wegsäule. Es war der Regensburger Bürger Ruger Krugl, der `hinter Heilig Kreuz´ (in der Westnerwacht nahe dem Dominikanerinnenkloster, wohl am Stahlzwingerweg) wohnte. Als Tag ist der 5. März 1459 angegeben. Die kleinen Figuren zeigen die zwölf Apostel und, auf der Seite unter der Darstellung mit Christus als Weltenrichter – heute der stadtauswärts gewandten Seite – den knienden Stifter, begleitet von drei Frauen. Das können die Frauen des Stifters sein: Bei der kurzen Lebensdauer insbesondere der Frauen in früheren Jahrhunderten (Kindbettfieber) waren mehrere Eheschließungen nacheinander für den Mann gar nicht so selten. Mit der Pest hat aber die Wegsäule, ebenso wie mit einem Verlöbnis des Stifters wohl nichts zu tun.
Oberhalb von Christus als Weltenrichter ist im Giebelfeld das Steinmetzzeichen oder die Marke von Ludwig Foltz (1809-1867) zu sehen. Man kennt ihn in Regensburg als den Architekten der Königlichen Villa und der Vollendung der Neupfarrkirche. Er ergänzte die Wegsäule um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit Sockelzone und krabbenbesetzter Turmspitze. An dieser Seite erscheint der Stiftername unter den Stifterfiguren und darunter die Jahreszahl 1459. Die Zeichnungen, in denen Foltz die mittelalterlichen Reste festhielt, zeigen die Seite mit der Kreuztragung und mit dem Kreuzigungsbild. Auf beiden Ansichten ist unter den kleinen Apostelfiguren die Jahreszahl dargestellt, was nicht der heutigen Aufstellung entspricht. Möglicherweise wurde das Hauptmotiv der mittelalterlichen Bildfolge mit dem Stifter, Figur und Namensnennung, der (mittelalterlichen) Jahresangabe und dem Steinmetzzeichen des kunsthandwerklich arbeitenden Bildhauer-Restaurators im 19. Jahrhundert durch Drehung der Säulenteile so zusammengestellt, wie wir es heute sehen. Die vier Evangelistenfiguren am Säulenschaft wurden ebenfalls von Ludwig Foltz ergänzt.
Der Stadtplan von Hans Georg Bahre von 1614 zeigt, von außen gesehen, diese Säule, die sog. "Pestsäule", rechts vor dem Jakobstor und die sog. "Predigtsäule" vor dem Peterstor, ebenfalls auf der rechten Seite. Dort stand sie auch noch nach Anlage des Alleengürtels 1779/81. Sie wurde aber im Zuge der Erweiterung 1804 zusammen mit den Resten der Bastei abgetragen. Erzbischof Carl von Dalberg, von 1802/03 bis 1810 Regent von Regensburg, gestaltete insbesondere die Plätze in der Stadt und den Bereich vor Jakobs- und Peterstor um. Vor dem Ostentor gab es private Gärten, war also eine Gestaltung bereits durchgeführt. Einem halbrunden Platz vor dem Jakobstor stand die Wegsäule im Wege, weshalb sie der letzte Fürstabt von St. Emmeram, Cölestin Steiglehner, kaufte und auf das zum Kloster von St. Emmeram gehörige Gut Hohengebraching brachte. Sie wurde schließlich am Hohengebrachinger Forst am Waldrand aufgestellt.
Dort sieht sie eine Festtagsgesellschaft im Sommer 1845 in romantischer Verklärung stehen: "Bei untergehender Sonne sah er die munteren Gäste über die abhängige Wiese, am Teiche vorüber, heimwärts in den Wald ziehen, der von fröhlichem Gesange wiederhallte. Eine Stimmung, wie sie nur die feierliche Natur in die Herzen zaubert, gab der Augenblick der Gedanken: Wie schön, - wie erbaulich wäre es, dieses Regensburger Denkmal der Stadt wieder zuzuwenden" (aus einer 1845 anonym erschienen Schrift zur "Gedächtnis-Säule"). Der damalige Besitzer von Hohengebraching schenkte 1845 die Reste der Säule der Stadt; der ungenannte Autor einer kleinen Denkschrift ruft noch im selben Jahr zu Spenden für die Wiederherstellung der Säule und ihre Wiedererrichtung vor dem Jakobstor auf. So sind es romantische Gesinnung und verklärter Blick auf das Alte, die der Wegsäule ihren heutigen Standort – zugleich einem ähnlichen, wie ehedem – gaben.
Foto: altrofoto.de