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Ein Vesperale ist ein liturgisches Buch, welches die Texte des Stundengebetes der Vesper mit Noten enthält.

Vesperale aus St. Jakob in Straubing

Die Stadtpfarrkirche und ehem. Stiftskirche St. Jakob und St. Tiburtius in Straubing ist bekannt für ihren bedeutenden Bau einer gotischen Hallenkirche und ihre reiche Ausstattung. Unsere Kollegin der Pfarreieninventarisation ist nun auf eine Kostbarkeit im Bereich der Buchkunst gestoßen: ein Vesperale. Mit seinen 15,5 kg ist das Vesperbuch nicht nur buchstäblich, sondern auch künstlerisch und kunsthistorisch ein Schwergewicht.

Schlägt man den in Leder eingebundenen Buchdeckel auf, erblickt man auf den ersten Seiten zwei in frischen Farben gemalte Frontispize. Sie weisen das Buch als gemeinsame Dedikation des Stiftskapitels und des Inneren Rats der Herzogsstadt aus dem Jahre 1602 aus. In einer für die Renaissance typisch verspielten Ornamentkartusche sind zentral auf der einen Seite die Stiftspatrone Jakobus d. Ä. und Tiburtius dargestellt, auf der anderen Seite das Stadtwappen mit dem silbernen Pflug. Zwei kecke Engelchen scheinen die Kartusche an seitlichen Verstrebungen zu stützen. Um die Kartusche herum sind die Wappen der Stifter angeordnet; die Banderolen daneben bezeichnen Rang und Namen der vier leitenden Stiftskanoniker sowie der Bürgermeister. Die Malereien sind sehr virtuos in einem hellen, pastellartigen Kolorit mit Goldhöhungen ausgeführt.

SR St.Jakob.0336fSR St.Jakob.0336mDie von Noten begleiteten Texte des Abendgebets sind allesamt per Hand auf das Pergament geschrieben worden. Diese Tatsache weist, zusammen mit dem Stil vieler Initialen und den in mehreren Zeitabschnitten zugefügten Anmerkungen, darauf hin, dass es sich um ein Buch aus dem Spätmittelalter handelt. Die auf 1602 datierten Frontispize sind demnach nachträglich eingebunden worden. Es gibt eine Vielzahl von Initialen, die teils mit Ornamenten, teils mit figürlichen Darstellungen geschmückt sind. In ihnen „wohnen“ Tiere, Blumenvasen oder Instrumente wie Laute, Orgel und Sackpfeife. Am Buchstabenrand schließen humoreske Darstellungen von Profilköpfen mit übertrieben großen Nasen und herausgestreckten roten Zungen an.

Ende des 16. Jh. wurde das altehrwürdige Chorherrenstift St. Tiburtius zu Pfaffmünster an die um 1400 erbaute Stadtkirche St. Jakob verlegt. Vermutlich im Zuge dessen kam das Vesperale in den Besitz der neuen Stiftskirche. Seine Konzeption und schiere Größe ist für den Gebrauch durch eine große Communio wie die eines Klosters oder eines Stifts angelegt, wo während des Stundengebets mehrere Zelebranten gleichzeitig in die auf dem Lesepult aufgeschlagene Seite Einblick nahmen. Die prachtvollen Frontispize von 1602 untermauern den erhöhten Rang und das damit verbundene Ansehen von St. Jakob. Sie sind Zeugnis für das Wiedererstarken des katholischen Glaubens in der Herzogsstadt während der Gegenreformation.  (Dr. Anna-Lena Krämer)

Alle Fotos: Anna-Lena Krämer