Böhmische Kastenkrippe
Das heutige Tschechien war bis zum 2. Weltkrieg eine der reichsten Krippenregionen Mitteleuropas. Die einfache Bevölkerung gestaltete nach Vorbildern aus den Kirchen die Holzfigürchen und phantasievolle Landschaften rund um das Geschehen der Geburt Christi. So entwickelte sich eine religiöse Volkskunst anonymer Laienschnitzer, die in ihrer Formen- und Figurenvielfalt durchaus das Prädikat „naive Kunst“ verdient. Die Werke sind aus dem inneren Erleben geschaffen und besitzen sehr ursprüngliche Aussagekraft. Jede Region brachte ihr Spezifikum nach und nach in die Gestaltung ein. So gab es im 19. und 20. Jahrhundert in Böhmen und Mähren tschechische, deutsche und national gemischte Krippenbauergebiete.
Eine Sonderform der Weihnachtskrippe sind die sogenannten Krippenberge, die von den böhmischen Krippenbauern bevorzugt gestaltet wurden. Ein Gestell mit mehreren Stufen bildet die Stellfläche für Figuren und Architektur.
Auf drei Ebenen zeigt die Kastenkrippe Menschen unterschiedlicher Stände, die zur Krippe kommen – Figuren, in kräftigen Farben handbemalt, mit ihren Gaben. Dem Jesuskind huldigen die Heiligen Drei Könige. Seit dem 12. Jahrhundert verkörpern sie nicht nur alle damals bekannten Erdteile, sondern auch die Lebensalter: Melchior, der König Europas, als Greis, Balthasar, der König Asiens, als reifer Mann und Kaspar, der König Afrikas, als junger Mann, der hier als Indianer dargestellt ist. Vor dem Stall ist gleichzeitig die Anbetung der Hirten dargestellt. In bäuerlicher Handwerkskunst lässt ein bunter Reigen des Alltagslebens rund um das Geschehen von Weihnachten die Menschwerdung Gottes erleben. (Maria Baumann)
Böhmische Kastenkrippe, um 1900
Holzfiguren, farbig bemalt | Naturmaterialien
Sammlung Ludolf Stegherr (23.11.1920‒13.12.2014)
Zu sehen in der Ausstellung „Passion ohne Grenzen. Krippen aus Böhmen“ vom 7. Dezember 2019 bis 2. Februar 2020 im Wallfahrtsmuseum Neukirchen b. Hl. Blut