Romanisches Vortragekreuz
Die Herkunft dieses um 1150 entstandenen Kreuzes liegt im Dunkeln. Erst 1837 kam es in den Regensburger Dom als private Stiftung des Münchner Bildhauers Konrad Eberhard. Er hatte den Auftrag für das steinerne Grabmal des Bischofs Johann Michael von Sailer (1829-32) erhalten, das bis heute im südlichen Nebenchor des Domes steht. Es zeigt nahezu lebensgroß den thronenden Bischof. Das romanische Vortragekreuz war ursprünglich zu seiner Rechten auf einer Schaftstange postiert, gegenüber hielt ein kniender Engel den Bischofsstab.
Schon 1868 hatte man in einer Inventarliste des Domschatzes auf die akute Diebstahlgefahr des wertvollen Vortragekreuzes hingewiesen, zu nicht näher bekannter Zeit im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert wurde es schließlich in den Domschatz verbracht. Seit 1982 befindet sich beim Grabmal im Dom ein Gipsabguss.
Das Kreuz ruht auf einem kunstvoll durchbrochenen Kugelknauf, die unten anschließende Tüllenbuchse mit Randprofil diente als Verbindungsstück zur ehemaligen Tragestange. Der Knauf ist ein Meisterstück romanischer Bronzegusskunst. Er ist innen hohl, die Wandungen sind als dichtes Filigrangeschling ausgestaltet, ein korbartiges Knäuel aus wuchernden Pflanzen, phantastischen Mischwesen und menschlichen Figuren. Zu erkennen sind drei schlangenartige Tiere mit Wolfsköpfen und drei nackte Menschen, alles schier unentwirrbar in das Rankenwerk eingeschlungen. Darstellungen dieser Art sind charakteristisch für die romanische Bildkunst und haben ihre Wurzeln in den ältesten erhaltenen Werken der irischen Buchmalerei aus dem 8. Jahrhundert. Eine Deutung muss jedoch im Allgemeinen bleiben, es geht um die Verstrickung des Menschen wie der ganzen Kreatur in seiner irdischen Existenz und um die Aussichtslosigkeit, sich aus eigenen Kräften befreien zu wollen.
Sinnfällig erhebt sich darüber das Kreuz Christi als Zeichen der Erlösung. Die Kreuzbalken mit ihren breiten Tatzenenden sind aus einer Kupferplatte geschnitten und erhielten vorne als Randeinfassung eine aufgelötete Stableiste mit schlichter Wellengravur. Inmitten der Kreuzenden sitzt in durchgehender Öffnung je ein ovales Stück Bergkristall, gefasst durch vorne aufgenietete Messingblechschilde. Die Rückseite des Kreuzes zeigt schlichte Gravurmuster aus Wellenranken und Rauten sowie ovale Rahmen um die Bergkristalle. Die auffallend grobe Montierung lässt den Schluss zu, dass die Bergkristallmedaillons erst in späterer Zeit eingesetzt wurden. Ursprünglich bargen die Kreuzarme wohl Reliquien.
Der Corpus Christi wurde aus Bronze gegossen, die Oberfläche sorgfältig nachbearbeitet und am Lendenschurz schmückend ausziseliert. Die zierliche Gestalt des Gekreuzigten scheint zu schweben, nichts deutet auf körperliches Leiden oder gar Tod. Das geneigte Haupt, die großen geschlossenen Augen, ein Bild stillen Duldens und erhabener innerer Größe.
"GOTT IN CHRISTUS DAS HEIL DER SÜNDIGEN WELT."
(Inschrift im linken Buch des Sailer-Grabmals)
Um 1150
Bronze, Kupfer, Messing, Bergkristall
H 41 cm, B 27 cm
Domschatz