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10,4 Megatons
Slawomir Elsner (geb. 1976)

Megatons

Slawomir Elsner, geboren in Wodzislaw in Polen, war in Kassel Meisterschüler bei Professor Norbert Radermacher. Er präsentiert sich dem Publikum mit melancholisch-subversiven Stadtlandschaften in Öl, Buntstiftzeichnungen von Kriegsbildern, die zwischen Schönheit und Entsetzen oszillieren und die mediale Vermittlung von Bildern reflektieren sowie fotografischen Serien, die Authentizität vortäuschen und auf den zweiten Blick neuen Dimensionen hinter dem Alltäglichen freilegen.



Die Serie ‚Kilotons’ setzt mit ihrer Darstellung von Detonationen atomarer Sprengkörper, die zu militärischen und wissenschaftlichen Zwecken unter Aufsicht und Zuschauern gezündet wurden, diese Ansätze fort. Grundlage der großformatigen Papierarbeiten sind schwarz-weiß Fotografien, die durch das US Army Signal Corps während einiger Atomtests gemacht wurden und in minimalistischer Darbietung ohne moralisierenden Kommentar die Explosionen abbilden.

Diese archivierten Dokumentarbilder vergrößert Elsner und isoliert Details der semantischen Bildeinheit, um ein reines Abbild zu erwirken, das durch die technische Ausarbeitung mit Buntstiften eine neue strahlende Ästhetik bekommt. Das visuell nicht wahrnehmbare, gleißende Licht der atomaren Reaktion überblendet die kontrastreiche Landschaft und reagiert malerisch auf die technische Abhängigkeit des Fotos zur Belichtung. Wo der Film Konturen durch das Licht entwickelt, zeichnet der Künstler die Umrandungen des Unbeleuchteten und hinterlässt die Strahlungen als weiße Leerstellen. Die figurative Ästhetik der sich neu formierenden Darstellung hinterfragt nicht nur die physisches Sujets, sondern auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit medial vermittelten Bildern. Der Atomtest als ambivalentes Topic einerseits technischer Innovation und andererseits Synonym der menschlichen Massenvernichtung, wird bei Slawomir Elsner bildnerisch bearbeitet und als Kunstgegenstand positioniert. Die strahlende Schönheit der Darstellung kontrastiert mit den vertrauten Assoziationen der Zerstörung. Durch das Fortführen und Übertragen der entfärbten s/w-Fotografien in hellgraue Zeichnungen referiert der Künstler sowohl seine Quelle und historisch vertraute Bilder der kriegerisch eingesetzten Atomwaffen, als auch auf eine künstlich provozierte Distanz zum Dargestellten. Die zugehörige Serie ‚VIPs’ zeigt die motivische Gegenseite: Portraits der geladenen Gäste, wie auch Angehörige des Militärs, die als Zuschauer der Atomtests unter der Lichteinstrahlung bei Elsner nur fragmentierte Silhouetten sind und überwiegend von der großen schwarzen Schutzbrille bedeckt werden. Die Identität, wie auch Identifikation mit diesen Menschen bleibt hier ebenso entfernt, wie auch ästhetisiert zu Gunsten der Gesamtkomposition. Wie er in den ‚Landschaften’ und ‚Feuerwerk & Luftabwehr’ die signalfarbenen Kriegsreportage-Bilder überzeichnet und Darstellungen im Spannungsfeld zwischen visueller Schönheit (Feuerwerk) und sichtbarer Grausamkeit (Luftabwehr) schafft, zieht er auch in den ‚Kilotons’ durch die farbleere Darbietung mit den Mitteln des physisch für den Betrachter sichtbaren Lichts eine weitere Linie der Distanz zwischen Wirklichkeit und Betrachter.
Während die Quell-Fotografien noch ihre nüchternen Titel aus Ort, Datum und Sprengkraft tragen, reduziert Slawomir Elsner diese auf die schlichte Angabe der wirkenden Kilotonnenzahl. Hierdurch weist die Zeichnung ebenso auf ihre kollektive Verankerung hin, die nicht ortsgebunden, sondern willkürlich ist. Mit kräftigen Farben erschafft er neue Kunstwerke, die über ein hohes Maß an Ästhetik verfügen, schon fast dekorativ sind und das Bild in gewissem Sinne ‚rückmanipulieren’. Die illusionistischen Aufnahmen sind ‚echte’ Zeichnungen, die Strichführung ist eindeutig und leichte Überzeichnungen positionieren das Kunstwerk. Hiermit schafft Elsner es, Bilder nicht nur aus dem unmittelbaren Reportagecharakter zu ziehen, sondern provoziert eine erneuerte Auseinandersetzung mit deren Inhalt.

Diese Kontrastierungen führen zu einem bewussten Bild, das reduziert auf seine abbildende Funktion ist und hierin eine neue Eigenständigkeit, wie auch Projektionsfläche in der Rezeption des Betrachters bietet. Die Übermalungen tradierter Strukturen und Neupositionierung mit den Mitteln der sublimen Zeichnung hinterfragen mediale Sichtweisen auf den Bilderkonsum ebenso wie die Möglichkeiten der künstlerischen Darbietung.

Slawomir Elsner lässt seine Arbeiten meist unbetitelt oder ordnet sie innerhalb eines Serientitels und gibt somit keine direkten Rückschlüsse auf die Bildherkunft oder den Inhalt (das Motiv), diese erscheinen einerseits kollektiv vertraut und gleichzeitig zu Gunsten einer farbigen Realität entrückt. In dieser Dopplung der Illusion, dem Spiel mit vertrauten Strukturen, einerseits von traditionellem Kunstwerk, wie es als zusätzliches ‚Fenster’ oder Ort der emotionalen und empirischen Erinnerung gebraucht werden kann, andererseits in seiner inhaltlichen Verschiebung durch das gegenwärtig medial übertragene Abbild, liegt die Besonderheit von Elsners Arbeiten.

Dr. Jakob Johannes Koch

10,4 Megatons
2005, Buntstift auf Papier
94 x 130 cm
courtesy Johnen + Schöttle Köln/Berlin

zu sehen in der Ausstellung vom 27. April bis 10. Juni im Museum St. Ulrich